ich bin ärgerlich. Habe Fernweh, Heimweh, Melancholie, the Blues. Alles auf einmal. Den ganzen Sommer wollte ich an meiner Diss schreiben. Zwei Monate lang nichts anderes machen. Und jetzt ist Herbst. Gefühlt eher Winter. Und ich habe genau fünf Tage mit meiner Diss verbracht. Und ich kann nicht mal was dafür. Der Vater meines geliebten J. ist gestorben. Und es hat so viel Energie und Zeit gebraucht. Für den Vater, für die Mutter, für J. und für mich. Es hat die Zeit gebraucht und es hat die Zeit verdient. Aber dass ich dabei krank werden muss und jetzt krank im Bett liege, das ist irgendwie dann doch zu viel. Jetzt muss ich meine mühsam ausgemachten Interviews verschieben, jetzt habe ich eigentlich nicht mal Zeit und Lust mit Papa nach Stockholm zu fahren und jetzt habe ich auch keine Energie mehr, mich um andere Menschen zu kümmern, weil ich selber auch mal bekümmert werden will. Aber natürlich geht es J. genauso. Und uns bleibt nichts anderes übrig als uns gegenseitig zu bekümmern. Und deshalb würde ich am liebsten auf eine ferne Insel oder auch zu Mama auf den Schoß flüchten. Deshalb habe ich Fernweh und Heimweh gleichzeitig und seit Tagen die Heizung an, obwohl doch Sommer sein könnte.
Heute: Das Thema Berührung.
Für meine Diss versuche ich heute der Frage nachzugehen: Wer darf wen wie wann berühren. Berühren Frauen und Männer anders? Also jetzt nicht in sexuellen Situationen, sondern im Alltag. Goffman geht davon aus, dass Männer (mehr oder weniger fremde) Frauen anders berühren dürfen, als andersherum. Er meint, es hätte was beschützendes. Ist das heute noch so? Sind Männer nicht viel mehr mit Tabus belegt, wenn sie eine Frau berühren? Und wer möchte sich schon von einem fremden Mann berühren lassen? Und beschützen?
Wer berührt in einer Teilöffentlichkeit wen? Wie wirkt es, wenn Erzieher Kinder im Kindergarten genauso innig berühren, wie wenn Frauen es tun? Hat es nicht immer schon die Schreckens-Phantasie Missbrauch impliziert? Und vor allem, wo doch im Moment wahrscheinlich eine total übervorsichtigkeit herrscht?
Gleichzeitig: Sind Berührungen nicht eine der wichtigsten Kommunikationsformen? Was, wenn ich nie berührt werde? Kann man sich dann überhaupt geliebt und angenommen fühlen?
Und als Frau/Mann? Welchen Beitrag liefern Berührungen zur Konstruktion von Geschlecht und zu reproduktion des GEschlechterverhältnisses? Wieso gibt es so wenig Untersuchungen über Berühren und welche Ansätze könnte ich in diese Richtung umdeuten? Doing gender while doing "touch"? Klingt jetzt irgendwie nicht so eindeutig nach Prozesshaftem Vorgehen....
Schwierig. Und das ganze dann noch auf Männlichkeit bezogen. Wo doch Männlichkeit und Berühren gleich als Widerspruch erscheint. Vom Google-Ergebnis mal ganz zu schweigen.
die wetterfühlige Fernwee leidet mal wieder unter schlechtes-Wetter-Dauerregen-Beziehungsscheiß-Melancholie.
Kann es nicht einmal einfach sein????
Muss man sich wirklich über jeden Scheiß so sehr den Kopf zerbrechen, dass man gar nicht mehr weiß, wo die einzelnen Bruchstücke hingehören?
Ich....
... wünschte mir so sehr eine Beziehung, die mehr Energie gibt als sie nimmt.
Ich wünschte mir so sehr, wir könnten uns manchmal gehenlassen und wiederfinden, verwirren und zurückkommen, verirren und zu Hause sein, verlieren und auffangen, locker lassen und festhalten, eins sein und zweisein, kommen und gehen, Kabale und Liebe (in allen Bedeutungen, die in diesen Satz reingelesen werden können).
Ich wünschte mir so sehr, wir würden aufeinander vertrauen anstatt Angst vor dem Zusammensein zu haben.
Ich wünschte, wir würden es mehr genießen.
Manchmal hilft es ja auch zu denken:
Es geht um mein Leben.
Wahlweise mit der Betonung "Es geht um mein Leben", also meins, und ich kann damit machen was ich will und sollte das auch so tun, wie ich gerne möchte. Oder als "Es geht um mein Leben"! Also ums wirklich echt Leben. Nicht um ein Spiel. Nicht um etwas, was man beliebig oft nochmal machen kann. Sondern um das eine einzige was ich habe.
Und das hilft dann manchmal, wenn man Entscheidungen treffen muss. Also mir hat es jedenfalls schon manchmal extrem gut geholfen, wenn ich plötzlich aufgeschreckt bin und dachte: ach du scheiße, das ist hier dein Leben und was passiert da gerade? Sofort was ändern.
Nur mal so als Tipp.
Und da fällt mir das Gedicht von Erich Fried zu ein:
das leben
wäre vielleicht einfacher
wenn ich dich
gar nicht getroffen hätte
weniger Trauer
jedes mal
wenn wir uns trennen müssen
weniger angst
vor der nächsten
und übernächsten Trennung
und auch nicht soviel
von dieser machtlosen Sehnsucht
wenn du nicht da bist
die nur das unmögliche will
und das sofort
im nächsten Augenblick
und die dann
weil sie nicht sein kann
betroffen ist
und schwer atmet
das leben
wäre vielleicht
einfacher
wenn ich dich
nicht getroffen hätte
es wäre nur nicht
mein leben
wünscht sich, dass sich jemand um sie kümmert. Ohne mit der Wimper zu zucken. Wär das schön.
Und irgendwie habe ich es doch auch verdient, schließlich mache ich das auch dauernd. Eine Schulter zum Anlehnen, Ausheulen und Ablästern sein.