So. Da ist er. Frühling. Lässt sein blaues Band und so weiter. Ich habe beschlossen, es könnte sich mal jemand in mich verlieben. Und mich darüber in Kenntnis setzen und ich entscheide dann, was ich damit mache.
Ist das ein Plan? Ich find den gut. Wär mal was neues. Ein bisschen Abwechslung in meinem Arbeitsleben.
Spießigkeit kennt kein Pardon...
Auf dem 36. Geburtstag einer Kollegin plötzlich mal wieder die Frage: Was ist hier schiefgelaufen? Ich sitze "unter" einer Schrankwand die von einer Tiffanylampe beleuchtet wird. Um mich rum komische Männer in fliederfarbenen Freizeithemden mit rosafarbenen Freizeitkrawatten. In der Vitrine Porzallan-Figürchen, im Regal Espressotassen-Sammlungen auf dem Kaminsims (Klinker!) Holzdelfine, Marmorelefanten, Keramikzwerge. Im Schlafzimmer: Kuscheltiere und Plüschkissen. Die Armaturen im Bad sind blau und der Couchtisch in dezentem Dunkelbraun gehalten. Das kann doch nicht wahr sein? Bin ich bei einer fremden Oma gelandet? Nein, es ist tatsächlich meine Kollegin, die da Bowle serviert und Schnittchen. Ich werd bekloppt. Um 11 verlasse ich fluchtartig die "Party". Zum Glück haben mich ein anderer Kollege und seine Frau mit dem Auto mitgenommen, und da seine Frau ziemlich schwanger ist, nimmt es keiner Übel, wenn man nach drei Stunden Queen, Falko und (mutig!!!) Ugly Kid Joe die Segel streicht.
Meine Mama sagt: "irgendwie sind wir ja alle so ein bisschen ohne Wurzeln in unserer Familie". Und? Hat sie recht? Immer wieder denkt man da ja irgendwie drüber nach. Wo man so hingehört. In meinem Personalausweis steht ja nur, wo ich geboren bin. Rheine. Ich weiß nicht mal 100%ig in welchem Bundesland das ist. Ausgestellt ist der Pass in Berlin und als Wohnort steht da München. Was sagt das jetzt über mich? Über meine Wurzeln. Ok, es ist nicht Aufgabe eines Passes was über mein Leben zu erzählen.
Meine Mama sagt: "Delligsen ist ja auch schon lange vorbei und dein Vater hat ja sein Leben in Bad Laer auch früh abgebrochen." Richtig, und meine Schwester macht gerade ein Praktikum in Berlin und fährt manchmal "nach Hause", nach Bremen, wo sie studiert und sonst wohnt.
Meine Mama sagt: "Ich fänd das nicht so schlimm, Soest aufzugeben und im Ruhrgebiet noch mal anzufangen. Recklinghausen haben wir doch auch immer sehr gemocht." Und mein Papa schwärmt: "In Essen, da gibt es so viel Kultur. Das könnten wir doch jetzt noch mal sieben Jahre machen, und dann ziehen wir nach Berlin." (Jetzt fällt mir auf: Eines Tages treffen wir uns wohl alle in Berlin...)
Tja, irgendwie sind wir wohl alle etwas unverwurzelt und keiner weiß, ob es uns damit so gut geht. "Wir haben ja gelernt, man kann überall leben", sagt mein Vater dann. Und ich entgegne: "Aber jedesmal ist es wieder schwer und mit viel Aufwand verbunden. Und es wird rausgesiebt aus den vielen Menschen, die man so kennen lernt. Und man muss hier probieren und da probieren und ein, zwei Jahre dauert es immer, bis man irgendwo angekommen ist. Und dann ist der Vertrag auch fast schon wieder abgelaufen..."
Schwierig, schwierig das Thema. Und immer wieder ein paar Gedanken wert über ein zuhause Gefühl. Schon komisch, wenn ich nächste Woche nach Soest fahre, dann vielleicht mit dem Gedanken im Kopf, dass es eins der letzten Male sein wird, das Haus, in dem ich zehn Jahre gelebt habe, zu bewohnen.
Das Gästezimmer in dem Haus...
Ich hab mich immer gefragt, ab wann man eigentlich gleichaltrige siezt. Jetzt ist es so weit, ich sietze sogar Menschen, die jünger sind als ich - meine Studenten. Die sietzen mich ganz selbstverständlich, und wenn ich mich mal vertue, bringt sie das total aus dem Konzept. Was ist, wenn ich sie stunden später im Atomic Café treffe? Bleiben wir dann beim Sie? Ich will es nicht hoffen. Morgen jedenfalls habe ich die ersten ernstzunehmenden Aufgaben in einem Seminar. Und heute hat mir meine Chefin eröffnet, dass ich bei der Veröffentlichung, die ich gerade teilweise für die übersetze, als Autorin mit drauf stehe. Auf Englisch, für die jährliche SEFI Tagung in Uppsala. Fahre ich dann wohl auch mit nach Uppsala? Wie cool das wär.
Hab gerade total Lust, hier heute noch mehr zu schreiben, weiß aber gar nicht was. Das ist ziemlich blöd, ich will ja auch keinen langweilen. Ob es an diesem einsamen Wochenende liegt? Ich meine, wenn ich schon seit Freitag abend niemanden mehr gesehen habe, den ich kenne, das ist schon bedrückend, eigentlich geht es mir aber noch ganz gut. Der Besuch hat auf meinem Rechner den Musikordner "ganz schlimm" hinterlassen. Jetzt höre ich also "lass die Sonne in dein Herz" und "Guten Morgen Sonnenschein". Auch nicht schlecht.
Vorhin war ich verabredet. Immerhin. Und dann wieder ein München-Problem: Die Absage auf meiner Mailbox höre ich erst, als ich aus den Tiefen der U-Bahn herausfahre. Super. Stehe also im tiefschnee-Sturm an der Münchner Freiheit (passt Musikmäßig gerade ja ganz gut...) und weiß nicht wohin mit mir. Eine Stunde bin ich durch die Weiße Pracht gestapft, dann, kurz vor dem Tod durch erfrieren, in die U-Bahn gestiegen und zurück gefahren. Tja, das war mein Versuch an diesem Wochenende doch noch jemanden zu treffen. Bekannt war der mir zwar auch nicht so wirklich, aber er hätte es ja werden können...
ist der Mittelpunkt der Welt.
Beobachtungen auf dem
Element of Crime Konzert:
- Ich gehöre zu den Jüngeren. Durchschnittsalter würde ich mal so auf Ende 30, Anfang 40 tippen. Es gibt aber deutlich Ausfälle nach oben, und einige auch nach unten.
- Die Vorband ist grauenvoll. Das Publikum hört zwei Lieder lang zu, fängt dann die Gespräche wieder an. Bei der Ankündigung: "Das ist das letzte Lied" klatschen und jubeln die Menschen.
- Sven Regener hatte ich mir als dünnen, spraddeligen, vom Alkohol und Partyleben ausgezerrten Typen vorgestellt und den Rest der Band deutlich Jünger. - Sven Regener ist ein vom Alkohol und Partyleben aufgeschwemmter Vierziger. Die Band ist deutlich älter.
- Sven Regener wackelt so merkwürdig mit dem Kopf beim Tanzen, dass ich endlich weiß, woher Johann König das hat. Und jetzt fällt mir auch wieder ein, dass ich Element of Crime das erste mal an einem Februar-Morgen in Köln auf dem Sofa von Johann König gehört habe.
- Ich stehe ja wirklich auf diese Melancholie, die die Band oft verbreitet. Nicht umsonst nenne ich meine seltenen aber regelmäßigen Fernweh-Heimweh-Melancholie-Anfälle "Element of Crime-Stimmung". Aber wenn das nur zu schmusenden, entrückt in die Ferne schauenden Paaren führt, dann läuft auf dem Konzert was falsch. Keiner singt, tanzt oder bewegt sich sonst irgendwie in den ersten eineinhalb Stunden
- mal abgesehen von diedem Frauenclub vor mir. Hölle!!!! Sie quatschen in einer Tour. In breitestem Niederbayerisch. Über alles mögliche. Und gehen jede Mal aufs Klo, während des Konzerts und sagen "Ich hätte jetzt gerne dieses eine Lied... von der CD... das mit Horst oder so" (gemeint war wohl "Delmenhorst", denn das war das einzige, bei dem sie mal die Klappe gehalten haben) Darf man auf einem "Rock-Konzert" zu jemandem sagen: Könnt ihr bitte mal zwei Minuten ruhig sein??? Die Frau spricht lauter als die Band musiziert.
- Als die Alt-Herren auf der Bühne endlich die Klassiker wie "Bring den Vorschlaghammer mit" spielen, kocht endlich die Menge und tanzt und springt, und die auf der Bühne könnten doch merken, dass das viel mehr Spaß macht als ein geheultes Lied nach dem anderen. Bei denen ich teilweise denke: "hatten wir das nicht schon?"
- Leider gibt es diese Hits erst in der dritten, vierten und fünften Zugabe.
- Ja tatsächlich! Es gab eine dritte, vierte und fünfte Zugabe! Das war dann doch sehr positiv. Und die Gesamtspiellänge von über zwei Stunden wirklich beachtlich
Fazit: Element of Crime könnten eigentlich richtig feiern, sie machen schöne Musik, sie haben es raus, Stimmung zu erzeugen und spielen einfach seit Jahren zusammen, was das ganze perfektioniert. ABER: Wenn sie einfach nur die Melancholie rauslassen und keine Bühnenshow haben außer: "Hallo, wir sind Element of Crime, dann machen wir mal weiter." und später: "Dankeschön, tschüss, servus, machts gut, wie waren Elemt of Crime" dann reicht es mir, sie sonntagmorgens beim Frühstück zu hören. Und an depressiven Tagen, bei Neuschnee (5cm übrigens) oder wenn der Liebeskummer an mir nagt. Auf ein großes, teures Konzert muss ich dafür nicht unbedingt. Kultstatus hin oder her.
Vielleicht wäre auch alles anders, wenn man umgeben wäre von Leuten, denen es genauso geht. Und die mit den Berlin-Liedern ("alle drei Minuten", oder "die letzten warmen Tage von Berlin" zum Beispiel wurden gar nicht erst gespielt) was anfangen können.